Große Gefühle auf großer Bühne

Mehr als 100 Menschen mit Beeinträchtigung begeistern beim 
ganz besonderen Theaterfestival das Publikum im vollbesetzten Haus am Westbahnhof.

Das Licht erlischt – und Applaus brandet auf. Stehend bejubeln die begeisterten Zuschauer im Haus am Westbahnhof die Schauspielerinnen und Schauspieler. Dann richten sich die Strahlen der Scheinwerfer wieder auf die Bühne. Nun klatschen auch die Akteure für ihr Publikum. Gemeinsam feiern sie den Abschluss eines ganz besonderen Theaterfestivals.

Einige Stunden zuvor im Herzen Landaus: Als Moderator Joachim Graf zum Mikrofon greift, werden gerade zusätzliche Stühle aufgestellt. Die Gäste im voll besetzten Saal fiebern der Eröffnung entgegen. Derweil brennen über 100 Menschen mit Beeinträchtigung darauf, ihr Können unter Beweis zu stellen. Organisiert wird das 12. ganz besondere Theaterfestival von der Initiative BAF Südpfalz, die 2023 ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Erstmals seit 2018 kann es wieder stattfinden. Doch erstmals muss es ohne „BAF-Urgestein“ Alexander Hahn stattfinden. Mit einem großformatigen Bild erinnert Joachim Graf zum Beginn seiner Begrüßung an den 2021 verstorbenen Mitbegründer des Festivals und leidenschaftlichen Ideengeber.

Danach richtet sich der Blick auf das anstehende Theaterfestival. Mit Bedauern kündigt der Moderator an, dass der geplante Auftritt der Landauer Gruppe „Kornfeld“ der Lebenshilfe Südliche Weinstraße mit dem Stück „Romeo und Julia“ krankheitsbedingt an einem anderen Tag stattfinden muss. Umso mehr freuen sich die Zuschauer auf die folgenden Darbietungen. Unter ihnen ist auch Lukas Hartmann. Der Beigeordnete überbringt Grüße von Landaus Oberbürgermeister Dr. Dominik Geißler und betont: „Wir sind eine Gemeinschaft und sollten alle zusammenhalten. Die heutige Veranstaltung ist ein wundervolles Zeichen gelebten Miteinanders.“

Endlich öffnet sich der Vorhang. Vor einer beeindruckenden Kulisse lassen „Die Schattenmorellen“ aus der Südpfalzwerkstatt in Offenbach das Publikum mit dem Schwarzlicht-Theaterstück „Im Wunderland“ in eine fantastische Welt eintauchen. Bei ihrer gemeinsamen Reise begegnen sie auf den ersten Blick schrullig bis schauerlich anmutenden Figuren wie der Grinsekatze, dem Märzhasen, der Haselmaus, dem Hutmacher oder der Herzkönigin. Doch zu jedem Zeitpunkt bleibt klar: Jedes Wesen ist anders. Und alle sind ganz normal. Das ausdrucksstarke Spiel der Darstellerinnen und Darsteller fasziniert das Publikum.

Die „Crazies“, die Theatergruppe des Diakonissen Bethesda in Landau, präsentieren das selbst geschriebene Stück „Der verrückte Kneipenabend“. Eine magische Musikbox lässt kleine und große Wünsche Wirklichkeit werden – vom Nachmittag bei Kaffee und Kuchen mit der Familie über einen Tag als Königin von England, auf dem Traumschiff oder in San Francisco bis hin zum Schwimmen mit Delfinen und einem Auftritt bei „Deutschland sucht den Superstar“. Sehr emotional wird es bei den vielfältigen Gesangseinlagen, bei denen die Akteure nicht zuletzt besonderen Mut beweisen.

Mutabor“ inszeniert mit „Vom Fischer und seiner Frau“ eine mitreißende Fassung des Märchens, die eine Brücke zwischen alten Mythen und existentiellen Herausforderungen der heutigen Zeit schlägt. Kunstvoll verknüpft die Theatergruppe des Caritas-Förderzentrums St. Laurentius und Paulus Herxheim die Geschichte durch Schatteneffekte mit Themen wie Umweltverschmutzung, nimmersattem Konsum und Krieg. Ein Fischer schenkt einem Fisch die Freiheit, nachdem ein in dieser Gestalt gefangener, verwunschener Prinz ihn um sein Leben angefleht hat. Daraufhin drängt seine Frau ihn, den Zauberfisch um die Erfüllung eines Wunsches zu bitten. Vom Steinhaus über Staubsauger und Handys zum Heilbutt in Morchelsoße: Ihre Gier wächst mit jedem Wunsch weiter. Selbst Königin, Kaiserin oder Papst zu sein, genügt ihr bald nicht mehr. Am Ende jedoch erkennt das Paar, was wirklich zählt.

Auch im Außenbereich des Hauses am Westbahnhof gibt es an diesem sonnigen Spätseptembersamstag allerhand zu entdecken und zu erleben. So lassen sich zahlreiche Festivalbesucher in Verkleidung ablichten oder mit beindruckend realistisch wirkenden Tiermotiven bemalen. Andere stärken sich mit köstlichen Speisen und Getränken oder versuchen sich im Feuerspucken. Großer Andrang herrscht bei den Tanzeinlagen der „Quertänzer“ aus dem Caritas-Förderzentrum St. Laurentius und Paulus Herxheim und der „Working Dancers“ aus der Südpfalzwerkstatt in Offenbach. Beim Singen mit den „cbf Allstars“ des cbf Südpfalz klingt das ganz besondere Theaterfestival aus. Den Aktiven wie den vielen Helfern und Gästen wird dieser unvergessliche Tag in bester Erinnerung bleiben.

30 Jahre BAF Südpfalz

Die BAF ist eine Initiative von acht Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe in der Südpfalz. BAF steht für Bildung, Aktionen, Freizeitangebote. Die Initiative wurde 1993 gegründet. Seither gestaltet, plant und koordiniert sie Angebote für und mit Menschen mit Behinderung in der Südpfalz. Dabei geht die BAF immer wieder Kooperationen mit anderen Vereinen, Initiativen und Projekten ein.

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