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Offener Brief an Dr. Thomas Gebhart, MdB
Demokratisches Engagement von Vereinen schützen, rechtsstaatliche Sicherheit gewährleisten

Sehr geehrter Herr Dr. Gebhart,
mit großer Sorge haben wir die Kleine Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ (Drucksache 20/15035) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Kenntnis genommen.
Auf über 30 Seiten und mit insgesamt 551 Fragen widmet sich die Anfrage Ihrer Fraktion der Finanzierung und dem Gemeinnützigkeitsstatus von Organisationen aus der demokratischen Zivilgesellschaft, die sich öffentlich politisch engagieren, darunter u.a. Omas gegen Rechts, Greenpeace, BUND, Deutsche Umwelthilfe, Correctiv und das Netzwerk Recherche.
Anlass der Anfrage waren die bundesweiten Massenproteste gegen Rechtsextremismus Ende Januar, ausgelöst durch eine gemeinsame Abstimmung Ihrer Fraktion mit der AfD zur Asylpolitik. Adressat der Anfrage ist die Bundesregierung, allerdings weist der Großteil der 551 Fragen keinerlei Bezug zum Regierungshandeln auf. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass Ihre Fraktion mit der Anfrage daher in erster Linie die zivilgesellschaftlichen Akteure adressiert, die an den Protesten beteiligt waren und deren gesellschaftliches Engagement im Nachgang gezielt delegitimiert werden soll.
Die in der Anfrage vorgebrachten Fragen suggerieren, dass die darin genannten Vereine, Organisationen und Stiftungen steuerfinanziert Kampagnen gegen die CDU führen. Doch damit nicht genug: Es ist die Rede von einer „Schattenstruktur“, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt. Damit greift Ihre Fraktion die Erzählung eines angeblichen „Deep States“ auf, mit der in rechten Kreisen seit langem Stimmung gegen die demokratische Zivilgesellschaft gemacht wird. Als vermeintlicher Beleg für diese These wird in der Anfrage auf einen Meinungsartikel des Nachrichtenportals welt.de verwiesen. Unter dem Titel „NGOs: Der deutsche Deep State – und seine gefährliche Macht“ heißt es dort unter anderem: „Wer eine andere Politik in Deutschland will, muss die manipulative Macht dieser verfassungswidrigen Institutionen brechen.“
Wir fragen Sie, Herr Gebhart: Ist das ernsthaft die Art und Weise, wie Ihre Fraktion und die künftige Regierung von Friedrich Merz in den kommenden vier Jahren Politik machen wird? Wird sich die CDU weitere rechtspopulistische Positionen zu eigen machen und unbequeme Akteure der Zivilgesellschaft diskreditieren? Müssen der CDU missliebige gemeinnützige Organisationen künftig vermehrt mit Anzeigen bei Finanzämtern rechnen?
Inzwischen wurde bekannt, dass auch in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland vonseiten der CDU bereits Anfragen zur „politischen Neutralität“ von zivilgesellschaftlichen Organisationen gestellt wurden – ganz nach dem Vorbild Ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag.
Unterstützung statt Misstrauen
Auch in Landau und der Südpfalz sind Menschen zu Beginn des Jahres auf die Straße gegangen, um ihre Sorge vor einem fortschreitenden Rechtsruck in der Gesellschaft zu artikulieren – darunter viele Mitglieder Ihrer Partei, beispielsweise bei der von den Omas gegen Rechts organisierten Menschenkette am 8. Februar 2025 in der Landauer Innenstadt.
Dennoch haben 20 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung am 23. Februar 2025 mit der AfD eine in weiten Teilen gesichert rechtsextremistische Partei gewählt. In Teilen Ihres Wahlkreises in der Südpfalz liegen die Zahlen sogar noch deutlich darüber. Die Zahl rechtsmotivierter politischer Straftaten hat im Jahr 2024 um fast 20 Prozent zugenommen. Sollten diese Zahlen für Ihre Fraktion nicht Anlass genug sein, sich gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren in breiter Front gegen die wachsende Bedrohung von Rechts zu stellen, anstatt ein Klima der Angst zu schüren?
Gemeinnützige Organisationen brauchen mehr Schutz, nicht weniger! Wir fordern Sie deshalb auf, sich im Bund für eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts einzusetzen und einen sicheren Rechtsrahmen für zivilgesellschaftliches Engagement zu schaffen. Sorgen Sie dafür, dass der Katalog der Gemeinnützigkeitszwecke erweitert wird, um das in Deutschland vorhandene zivilgesellschaftliche Engagement abzubilden und die demokratische Kultur zu stärken. Dazu zählen beispielsweise die Förderung von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus sowie die Förderung von gemeinnützigem Journalismus.
Der Verein Leben und Kultur e.V. engagiert sich seit seiner Gründung im Jahr 1987 als gemeinnütziger Verein für Lebenshilfe, Bildung und Begegnung überparteilich für die Menschen in Landau und der Region. Wir sind überzeugt, dass in einer lebendigen Demokratie die politische Willensbildung nicht exklusiv in Parteigremien stattfinden sollte. Wir werden uns daher auch weiterhin in einem überparteilichen Kontext demokratisch engagieren und von unserem Grundrecht auf Meinungsäußerung Gebrauch machen. Denn zur freiheitlichen Demokratie gehört die Stimme zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Auch in deren Namen bitten wir Sie: Erkennen Sie den Wert zivilgesellschaftlichen Engagements für eine lebendige und stabile Demokratie an und hören Sie auf, gemeinnützige Organisationen an den Pranger zu stellen.
Freundliche Grüße
Peter Damm, Sven Kaemper und Patricia Lang
Vorstand Leben und Kultur e.V.
Update 20. März 2025: Nachfolgend veröffentlichen wir die Antwort von Dr. Thomas Gebhart auf unseren offenen Brief vom 13. März 2025.